Wie sich unser Vereinsleben änderte

Die erste Vorsitzende eines örtlichen Pflege- und Adoptivelternvereins schildert, wie sich die Arbeit ihres Vereinsvorstandes in den knapp zehn Jahren, die sie Vorsitzende ist, verändert hat. Der Artikel beschreibt deutlich, wie sich die Bedingungen eines Vereins ändern, wenn sich die Rahmenbedingungen des Jugendamtes ändern.

Ich bin seit 2011 die erste Vorsitzende unseres örtliches Pflegeelternvereins und möchte einmal meine Gedanken zu diesen fast zehn Jahren und die mögliche Zukunft aufschreiben.

Wie haben sich die Aufgaben der letzten Jahre verändert?

In den ersten Jahren meiner Tätigkeit als erste Vorsitzende unseres örtlichen Pflege- und Adoptivelternvereins lag der Fokus der Vereinstätigkeit ausschließlich im Austausch der Pflege- und Adoptiveltern bei den monatlichen Stammtischen sowie bei der Organisation und Durchführung von Festen und Feiern des Vereins.

Es gab eine gute Zusammenarbeit zwischen Verein und Jugendamt. Viele Dinge wurden gemeinsam organisiert, geplant und durchgeführt. Es war eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe von Verein und Jugendamt. Die Pflegeeltern wurden gut betreut und beraten von ihren PKD Mitarbeitern. Natürlich waren wir auch mal unterschiedlicher Meinung bei verschiedenen Fragen, aber es wurde eine Lösung gefunden. Das lag sicher auch daran, dass erfahrene Jugendamtsmitarbeiter im Jugendamt tätig waren, die das Pflegekinderwesen nach der Wende im Osten aufbauten und viel persönliches Engagement mit in Ihre Tätigkeit einbrachten. Es gab regelmäßige Besuche bei den Pflegefamilien und Erstellung und Fortführung von Hilfeplänen. Weiterbildungen wurden regelmäßig und ausreichend angeboten.

Nun sind diese Mitarbeiter zum größten Teil in ihren wohlverdienten Ruhestand gegangen. Zwei alte Mitarbeiter bekamen ein anderes Aufgabengebiet und zwei neue, unerfahrene Mitarbeiter wurden in den PKD gesetzt. Ab jetzt wehte ein neuer Wind im Jugendamt.

Die gute Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Verein gab es nicht mehr. Wir waren das Übel, was übriggeblieben war. Das machte unsere Arbeit auf einmal viel schwieriger.

Es gibt jetzt junge PKD Mitarbeiter, denen oft die fachliche Kompetenz fehlt. Manche kommen eher aus Berufen mit Verwaltungsausbildung. Es gibt ein reges Personal-Karussell. Die jungen Mitarbeiterinnen gründen eigene Familien und verändern ihre Arbeitszeiten. Kaum hat man sich an eine Mitarbeiterin gewöhnt, ist sie wieder weg. Diese ständigen Wechsel sind für unsere Pflegekinder und ihre Pflegefamilien keine guten Voraussetzungen, denn schließlich sind Pflegefamilien für das Jugendamt ‘gläserne’ Familien. Wir öffnen doch unsere Familien – und nun müssen wir immer wieder der neuen Mitarbeiterin alles neu erzählen z.B. die Bedarfe des Pflegekindes, die Struktur der Familie. Immer mehr Pflegeeltern haben ein Problem damit, immer wieder neu durchleuchtet zu werden.

In den letzten Jahren hat sich auch die Arbeit der PKD Mitarbeiter verändert, da diese jetzt viel mehr Familien zu betreuen haben, wie es noch vor ein paar Jahren war.

Die Zahl der in Obhut genommen Kinder ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und damit stieg auch die Zahl der Pflegekinder. Die Zahl der PKD-Mitarbeiter veränderte sich jedoch nicht. Man hat einfach ‘vergessen’, das Personal den erhöhten Fallzahlen angemessen aufzustocken. Auch diese erhöhten Fallzahlen veränderten natürlich die Qualität der Betreuung der Pflegefamilien.

Die Auswirkungen der mangelnden Beratung und Begleitung durch das Jugendamt sehen wir heute ganz deutlich in unserer Vereinsarbeit.

Wir beraten, unterstützen und begleiten Pflegefamilien dahingehend, dass sie ihre Rechte zugestanden bekommen. Wir überlegen für sie und mit ihnen: “denk daran, mach dieses und jenes, vergiss nicht …. “. Dabei geht es oft sogar um fehlendes Pflegegeld – und das über mehrere Monate – und um ungeklärte Zuständigkeiten zwischen unterschiedlichen Landkreisen. Wir machen Beratung bei Übertragung von Vormundschaften, Beratung über Beihilfen, Beratung und Unterstützung bei Hilfeplanung.

Diese Aufgaben nehmen heute den größten Anteil unsere Arbeit ein. Das hat sich grundlegend geändert in den letzten Jahren. Oft haben Pflegeeltern überhaupt erst Hilfe bekommen, wenn wir als Verein Hilfestellung gegeben haben. Wir machen das gerne, aber es ist schon erheblich mehr geworden, denn die Pflegeeltern kommen jetzt überwiegend zu uns, weil im Jugendamt nichts passiert oder es ewig dauert. Wir finden, dass wir eigentlich einen Teil der Arbeit des Jugendamtes übernommen haben.

Natürlich bieten wir auch weiterhin Erfahrungsaustausch an.

Im Rahmen einer Spendenaktion hat unser Verein eigene Räume von der Stadt zur Verfügung gestellt bekommen. Diese sind für uns eine Begegnungsstätte geworden.

Wir organisieren weiterhin unseren monatlichen Stammtisch für Pflegeeltern, bei dem sich ca. 20 Familien regelmäßig treffen und austauschen. Wir machen Frühstücke mit den Pflegeeltern, Bastelrunden, Spielnachmittage, Kochen, Plätzchenbacken und machen alles, was uns Gutes einfällt. In den Vereinsräumen finden auch Besuchskontakte statt – sehr gewünscht, da viele Pflegeeltern die Besuchskontakte der Pflegekinder eigenständig organisieren. Bisher liefen die Kontakte immer in öffentlichen Räumen ab – Cafes, Spielplätze, MC-Donalds, Eisdiele – und alle Teilnehmenden wurden dann oft von Fremden beäugt. Die Vereinsräume bieten einfach mehr Schutz und Geborgenheit besonders für die Kinder, denn wir haben ein Spielzimmer und wir Pflegeeltern können in einem anderen Raum sitzen. Das beruhigt viele Kinder.

Die Hälfte der Pflegeeltern finden es prima, dass wir uns so in den Vereinsräumen treffen können. Die andere Hälfte will aber auch einfach mal lecker essen gehen. Das war ihnen genauso wichtig, wie der Austausch. Daraufhin haben wir uns entschlossen, uns dreimal im Jahr in einer Gaststätte zu treffen, so dass alle auf ihre Kosten kommen können. Bei den Frühstücken kommt eigentlich der “Stamm” des Vereins und freut sich, beisammen zu sein, gemütlich zu frühstücken und sich auszutauschen. Das sind die Leute, die den Verein tragen.

In den Räumlichkeiten finden ebenfalls unsere Beratungsgespräche, besonders auch mit Pflegeeltern-Interressenten.

Coronabedingt hat in diesem Jahr natürlich alles viel weniger stattgefunden. Wir hoffen einfach auf baldige und bessere Möglichkeiten.

Meine Wünsche für unseren Verein in der Zukunft.

1. Wieder häufiger mit den Pflegeeltern zusammen zu sein.

Ich würde mir wünschen, dass wir viel mehr Zeit finden, in den Austausch zu gehen, uns untereinander unterhalten zu können und auch mal wieder schöne Feste zu feiern. Das ist irgendwie durch die Vielzahl der anderen Aufgaben und Probleme viel zu weit in den Hintergrund gerückt. Jetzt lieg unser Fokus viel mehr in der politischen Arbeit, der Mitarbeit an dem Beihilfekatalog, den Gespräche mit den wichtigen Leuten des Landkreises etc. Das soll selbstverständlich auch die Aufgabe eines Vereins sein, aber das hat sich einfach in den Jahren viel mehr in den Vordergrund geschoben, das war früher nicht so. Wir würden gerne sehen, dass sich die unterschiedlichen Aufgaben die Waage halten. Wir würden uns gern mehr um die Pflegeeltern direkt kümmern, sie fragen, wie sie klarkommen. Wir würden auch mal wieder gern die Zeit haben, miteinander ein wenig zu jammern und zu klagen, um dann wieder frisch ans Werk gehen zu können.

2. Solidarität mit anderen Selbsthilfeorganisationen

Uns ist es wichtig, mit den anderen Vereinen und dem Landesverband eng zusammen zu arbeiten, denn nur gemeinsam sind wir stark.

3. Werbung von Pflegeeltern

Eine wichtige Aufgabe sehen wir darin, neue Pflegeeltern zu werben und für die Aufgabe zu interessieren, denn wir haben gelernt: es sind die Pflegeeltern, die andere PE werben. Im Moment kommen wir nicht dazu, weil es eben an allen Ecken und Enden brennt.

4. Gute Zusammenarbeit mit dem Jugendamt

Ich wünsche mir auch ein besseres Miteinander mit dem Jugendamt; dass wir wieder näher zusammenrücken. Wir haben früher als Verein einen Weihnachtsbaum für das Jugendamt geschmückt, aber dann wurde das nicht mehr so gern gesehn – ich würde mich freuen, wenn es wieder möglich wäre. Ich würde mich freuen, wenn wir wieder auf Augenhöhe sein können, denn Wertschätzung und Respekt fehlt uns gegenüber – so empfinden wir es. Gerade in der Corona-Krise wurde es nochmals deutlich, dass jegliche Kommunikation zwischen Pflegeeltern und Jugendamt auf der Strecke geblieben ist. Wir hatten das Empfinden, gerade in einer so schwierigen Zeit im Regen zu stehen.